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Der lange Atem der Geschichte oder der lange Weg zur Einweihung eines Denkmals für Raoul Wallenberg

Maren Schoening • Jan. 27, 2020

Vielen Städte in Ungarn halten besondere Geschichten parat: Bei meiner Reise nach Debrecen empfing mich der Politikwissenschaftler Balogh László Levente. Er wusste alles über Denkmäler in Debrecen. Einen spannenden Beitrag zur Zeitgeschichte liefert das Raoul-Wallenberg-Denkmal.

Während der Besetzung durch die Nazis im 2. Weltkrieg wurde der schwedische Diplomat Raoul Wallenberg im Juli 1944 nach Budapest geschickt. Er hatte von seiner Regierung den Auftrag, möglichst viele Juden zu retten. Mit der Ausstellung schwedischer Schutzpässe und der Anmietung von Schutzhäusern und Wohnungen gelang es ihm, zehntausende Jüdinnen und Juden vor der Deportation und dem Tod zu bewahren. Diese Schutzpässe wiesen die Inhaber als schwedische Staatsbürger aus. 1963 wurde Wallenberg von der Gedenkstätte Yad Vashem als „Gerechter unter den Völkern“ geehrt. Ob er diese Ehrung noch erlebt hat - wohl eher nicht. Wallenberg wurde - so viel ist sicher - nach dem Einmarsch der Russen in Ungarn vom sowjetischen Geheimdienst KGB verhaftet und in das berüchtigte KGB-Gefängnis nach Moskau gebracht. Dort verlieren sich seine Spuren. Die Russen erklärten vor einigen Jahren, dass er 1947 gestorben sei, Augenzeugen berichten, dass er lange in Arbeitslagern eingesperrt war.

Nach dem Krieg sammelten die Überlebenden der jüdischen Gemeinde in Budapest, um ihrem Retter ein Denkmal zu errichten. 1948 wurde das Denkmal fertig gestellt: es zeigt einen stattlichen Mann beim Kampf mit einer Schlange. Das Denkmal wurde im März 1949 am Donauufer im Budapester Szent István Park aufgestellt und sollte im April feierlich eingeweiht werden. Einige Tage vor der Einweihung wurde das Denkmal über Nacht - vermutlich auf Befehl der kommunistischen Partei – abgerissen und abtransportiert. Über Jahre blieb die imposante Statue verschollen.

Szenenwechsel nach Debrecen: Hier brauchte 1953 das ortsansässige Pharmaunternehmen Biogal eine repräsentatives Aushängeschild für sein Unternehmen. Da passte die verschollene Budapester Statue doch perfekt. Wallenbergs Kampf mit der Nazi-Schlage interpretierte man kurzerhand um zum Kampf des griechischen Gottes Asclepius gegen die Schlange der Krankheiten. Die Statue wurde als neues Symbol des Unternehmens nach Debrecen gebracht und vor dem Unternehmen errichtet. Hier wurde die Statue zum Markenzeichen des Unternehmens.

Den eigentlichen Eigentümern aus Budapester blieb die Errichtung der Statue vor dem Firmensitz nicht verborgen und sie erinnerten sich an das Verschwinden ihres Denkmals. Natürlich wollten sie ihr Denkmal zurück. Das Unternehmen verweigerte aber die Herausgabe. Nach dem Systemwechsel übernahm 1995 - Ironie des Schicksals - das israelische Unternehmen TEVA Biogal in Debrecen.

Erst 1999 – genau 50 Jahre nach der geplanten Einweihung - konnte ein Duplikat des Denkmals am Rande des ehemaligen Ghettos im 13. Bezirk am St. István Park in Budapest aufgestellt und nun auch offiziell als Denkmal zur Erinnerung an die Taten von Raul Wallenberg eingeweiht werden.

In Debrecen steht nach wie vor das Original.

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