Der Gefangene

Der Gefangene

Ein Werk von Troják Hanga, Kossár Alexa Lúcia - Lovassy László Gimnázium 


Unser Werk, das wir für diese Bewerbung angefertigt haben, stellt einen der begabtesten und berühmtesten Dichter Ungarns, Miklós Radnóti in den Mittelpunkt, dessen Schicksal ein bedeutendes Beispiel für die Opfer der antisemitischen Unterdrückung in Ungarn dient.


Am Ende der 1930er Jahre, als die drückende Atmosphäre gegen ihn und seine Schicksalsgenossen kontinuierlich zunahm, arbeitete er als Poet und Übersetzer und kämpfte dadurch gegen das Urteil der Gesellschaft. Seit dem Jahr 1940 wurde er mehrmals zum Arbeitsdienst eingezogen. Obwohl er im Jahr 1943 zum Christentum konvertierte, erhielt er im nächsten Jahr erneut eine Einberufung. Er wurde in die Stadt Bor in Serbien, ins Lager Heidenau, verschleppt. Die Zwangsarbeit, die er in den Kupferbergwerken leistete, war furchtbar, aber sein Leben war hier nicht in unmittelbarer Gefahr. In diesem Lager begann er, Gedichte in einem Heft zu schreiben, das den Namen „Borer Notizbuch“ erhielt.


Im August wurden die Menschen in ein anderes Lager verlegt, wodurch Radnóti ins Lager Berlin kam, wo – im Gegensatz zum früheren Lager – Schläge schon regelmäßig waren. Die Verlegung dieses Lagers erfolgte in zwei Teilen; Radnóti war in der ersten Gruppe. Sie wurden nach Ungarn getrieben. Dieses Ereignis forderte sehr viele Opfer; entweder wurden die Menschen erschossen, oder sie starben an der schrecklichen Ermüdung. Während des Marsches wurde das letzte Gedicht von Radnóti mit dem Titel „Razglednicák“ geschrieben, das ebenfalls in dem zuvor erwähnten Notizbuch entstanden war.


Der Dichter gehörte zu den wenigen Menschen, die diesen Marsch überlebten und Ungarn erreichten. Trotz des überstandenen Weges erlitt er einen tragischen Tod. Nachdem sie vom Krankenhaus in Győr wegen Überlastung abgewiesen worden waren, wurden sie bei Abda am 9. November hingerichtet. Das Notizbuch, das er während dieser Zeit schrieb, das „Borer Notizbuch“, wurde nach dem Krieg während der Exhumierung der Opfer gefunden. Der Band enthält auch das Gedicht „Siebente Ekloge“, das wir als Grundlage unserer Projektarbeit gewählt haben. Zu einigen von uns ausgewählten Zeilen des Gedichtes erstellten wir unsere Illustrationen.

Siebente Ekloge

Gedicht von Miklós Radnóti in freier Übersetzung


Siehst du, der Abend naht, und der Stacheldraht rings und der wilde

Eichzaun und die Baracke, sie schweben hinein in sein Dämmern.

Langsam löst sich der Blick von unsrer Gefangenschaft Rahmen,

und der Verstand nur allein weiss noch um die Ladung des Drahtes.

Sieh, auch die Phantasie gewinnt hier nur so ihre Freiheit,

unsern gebrochenen Leib löst der Schlaf, der schöne Befreier,

und das Gefangenenlager schwebt nun, da die Nacht naht, nach Hause.



Schnarchend, in Lumpen gehüllt und kahl fliegt von Serbiens blinder

Höhe der Häftlinge Schar in die Heimat, die schweigend geduckte.

Schweigend geduckte Heimat! Oh, gibt es denn noch ein Zuhause?

Wurde es nicht schon zerbombt? Und ist's so noch, wie einst wir's verliessen?

Und ob, wer rechts von mir stöhnt und links hingestreckt liegt, einst wohl heimkehrt?

Sag, gibt's dort noch einen Ort, wo man den Hexameter verstehn kann?



Ungefähr, ohne Sicht, nur Zeile um Zeile abtastend,

schreibe ich hier in der Dämmerung Verse, schreib so, wie ich lebe,

wie ein Regenwurm blind den glatten Papiergrund befühlend.

Taschenlampe und Bücher nahmen die Wächter des Lagers,

und statt der Post, der ersehnten, dringt Nebel in unsre Baracke.



Unter Gerücht- und Gewürmen leben hier Polen, Franzosen,

Römer, verträumte Bergjuden, separatistische Serben,

Stücke nur fiebernden Leibs und dennoch ein Leben hier lebend,

wartend auf frohe Botschaft, aufs Wort einer Frau, auf die Freiheit,

auf das in dichte Dämmerung stürzende Ende, auf Wunder.



Bettenlos lieg ich, gefangenes Tier zwischen Würmern; der Flöhe

Ansturm hebt neu wieder an, da die Heere der Fliegen nun ruhen.

Sieh, es ist Abend, Geliebte: ein Tag der Gefangenschaft weniger

und ein Lebenstag auch. Das Lager schläft. Auf die Landschaft

scheint nun der Mond und macht den Stacheldraht wieder erglänzen,

und man sieht durch das Fenster die Schatten bewaffneter Wächter

an die kalkige Wand projiziert unter nächtlichen Stimmen.



Siehst du, Geliebte, das Lager schläft, und es rauschen die Träume,

einer, aufgeweckt, schnauft, dreht sich um auf dem engen Fleck und schon

schläft er wieder, und sein Gesicht strahlt. Nur ich allein wache,

schmeckend den halb aufgerauchten Stummel im Munde anstelle

deines Kusses Geschmack, und es naht mir der Schlaf nicht, der milde,

denn nicht sterben, nicht leben kann ich nunmehr ohne Dich.


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